Titel
Wittigkofen. Landschaft, Schloss und Umgebung.


Autor(en)
Schäfer, Willy
Erschienen
Bern 2017: Rub Media
Anzahl Seiten
256 S.
von
Sarah Pfister

Willy Schäfer, während 34 Jahren Pfarrer an der Petruskirche im Gemeindekreis Wittigkofen, folgt in seiner «Spurensuche» der Bebauung und Belebung eines Gebiets, das mit Schloss Wittigkofen und den Hochhäusern aus den 1970er Jahren seine prominentesten und gegensätzlichsten bauhistorischen Zeugen hat.

Schäfers Darstellung der Geschichte Wittigkofens geht «zeitlich und räumlich weit über die Dimensionen bisheriger Schilderungen», die auf die Besitzer und Bau geschichte des Schlosses fokussierten, hinaus: Sie setzt in prähistorischer Zeit ein und führt bis in die Gegenwart. Dabei beleuchtet sie auch das Umland des Schlosses. Gemäss Schäfers These erstreckte sich das «mit dem Namen Wittigkofen verbun dene mittelalterliche Landgut einmal vom Melchenbühl bis zum Schönegg und Schöngrüngut», sodass «alle ehemaligen Landgüter südlich und nördlich der Schloss anlage sowie die Siedlungen und Strassenzüge auf diesem Gebiet mit ihrer Geschichte ins Buch aufgenommen» wurden.

Auf der Grundlage der bestehenden Fachliteratur, eines regen Austauschs mit den jeweils fachkompetenten Forschenden und seines minutiösen Quellenstudiums entrollt Willy Schäfer ein Panorama, das – den Erkenntnisinteressen der jeweiligen Kapitel folgend – von geologischen über paläontologische, archäologische, geografische, namenkundliche, architekturhistorische, geschichtswissenschaftliche, genealogische und politologische bis zu kunsthistorischen Fragestellungen reicht.

Das erste der zehn Kapitel beleuchtet urgeschichtliche Spuren. Ein im Gümliger Grossholz aufgefundener Silexschaber und ein Schalenstein zeugen von einer ersten Besiedlung des Umlands von Wittigkofen. Die Kapitel zwei und drei untersuchen die «Wittigkofengegend» in römischer Zeit und von der Völkerwanderungszeit bis ins Hochmittelalter (476 – 1218). Ortsnamenkundliche Forschungen legen eine alemanni sche Gründung Wittigkofens zwischen 700 und 750 als «Hof der Leute des Witto» nahe, allerdings fehlen schriftliche und archäologische Hinweise.

Kapitel vier und fünf sind den ersten belegbaren Besitzern des Landguts Wittigkofen gewidmet. 1239 verkaufte Gepa von Montenach, Baronin in Belp, umfangreiche Güter in Muri an das Kloster Interlaken. «Zu diesen Besitzungen gehörte [...] auch das Landgut Wittigkofen.» Die Bezeichnung «Wittigkofen» ist erstmals 1250 in einer Quelle zu finden: Ein H(einricus) de Witenchoven tritt als Zeuge eines Kauf vorgangs auf. Gemäss einer Urkunde von 1256 gehörte er zu den «consules communitatis de Berne». Als Ratsherr muss er ein angesehener Mann gewesen sein, aber «sicher nicht adligen Standes». Der Autor zeigt auf, dass Heinrich von Wittgikofen ein freier Mann aus dem Kirchspiel Muri war, «der das Burgrecht der Stadt» erworben hatte. Der Namenszusatz ist als Herkunftsbezeichnung zu verstehen. Sein «Sohn oder jüngerer Verwandter» gleichen Namens tritt 1294 auf der Liste des neu gegründeten Rats der Zweihundert bereits an siebter Stelle auf. Er wie sein Vorgänger scheinen als Lehensnehmer des Klosters ein grösseres Gut in Wittigkofen bewirtschaftet zu haben.

1271 ging das Landgut in den Besitz von Heinrich von Seedorf über, der dreizehn Jahre zuvor bereits die Brunnaderngüter erworben hatte. Hier knüpft der Autor an seine Nachforschungen zur Geschichte von Brunnadern an, die er 2011 unter dem Titel In Brunnadern engagiert publizierte. Nach dem Tod ihres Gatten Heinrich stiftete Mechtild von Seedorf das Kloster Brunnadern, zu dessen Besitzungen auch das Gut Wittigkofen gehörte. Mit dem Tod Mechtilds fiel die Hälfte des Guts an das Kloster Interlaken zurück, während die andere Hälfte beim Kloster Brunnadern verblieb. Ganz dem Schloss und dem Schlossgut gewidmet sind die verbleibenden Kapitel. Schäfer zeigt auf, wie nach der Säkularisierung auf den Gutsanteilen des Siechen hauses Bern und der Klostervogtei Interlaken adlige Landgüter entstanden und wie Wittigkofen mit dem Schlossbau und der Errichtung der Hochhausüberbauung ab den 1970er Jahren zum Herzstück des Wittigkofengebiets wuchs.

Mit dem Bau der Schlossanlage durch Schultheiss Beat Ludwig von Mülinen setzt die wechselvolle Besitzer und Baugeschichte ein. Von Mülinen gehörte zu den ersten vermögenden Burgern, die sich im 16. Jahrhundert einen Landsitz leisteten. Das drei geschossige Haupthaus mit einem Laubenstock scheint noch vor seiner Vollendung 1580 ganz oder teilweise abgebrannt zu sein, wurde aber umgehend wieder aufgebaut. So lud von Mülinen gemäss einem Eintrag in einer Berner Chronik vom 15. August 1581 «Rät und Burger samt den Predikanten und Schulmeister» zur Feier in seinem «jetzt wieder aufgebauten Lusthaus Wittighofen». Durch die Jahrhunderte wechselten die Schlossherrschaften mehrmals. Auf die weissen Steiger (1680 – 1745) folgte die Ära von zwei Zweigen der Familie Wurstemberger. Der Besitzerwechsel fiel mitten in eine intensive Phase von Bauvorhaben und Neuausstattungen, die dem Schloss sein barockes Gesicht gaben und von einem aufwendigen Lebensstil zeugten. Schloss Wittigkofen blieb über 270 Jahre im Besitz der Wurstemberger. Das neuste, inzwischen realisierte Bauprojekt galt den Ställen des Schlosses. Hier baute der Investor Hans Ulrich Müller, der das Schloss 2014 erwarb, Wohnungen und Ateliers ein.

Zu den vielen Verdiensten von Willy Schäfers Monografie gehört, dass sie nicht nur die barocke Perle Schloss Wittigkofen in ihrer Entwicklung verfolgt. Ebenso gewährt sie einen vertieften, dabei auch dem historisch interessierten Laien zugänglichen Einblick in die Berner Geschichte. Schäfer verknüpft die von ihm ausgewerteten Quellen mit den grossen Ereignissen der Zeit, aber auch mit dem persönlichen Wirken und Streben vieler Exponentinnen und Exponenten der Besitzerfamilien.

Der Autor revidiert die Darstellung der Besitzerfolge zwischen 1423 und 1570, wie Wolf Maync sie in seinem Standardwerk Bernische Wohnschlösser. Ihre Besitzergeschichte 1979 für Wittigkofen ausführte. Er stützt sich dabei auf bislang unberücksichtigte Quellen, etwa das Inselklosterzinsbuch. Hier gelingt es Willy Schäfer, Lücken zu schliessen und damit eine konsistente neue Darstellung zu schaffen. Angesichts der Fülle an verarbeitetem Material mag man dem Autor gewisse inhaltliche Ungenauigkeiten und fehlende Quellenangaben verzeihen.

Zitierweise:
Pfister, Sarah: Rezension zu: Schäfer, Willy: Wittigkofen. Landschaft, Schloss und Umgebung. Eine Spurensuche. Bern 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 2, 2021, S. 81-83.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 2, 2021, S. 81-83.

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